Paydriver: Ein aussterbendes Modell in der modernen Formel 1

Paydriver sind in der Formel 1 eine aussterbende Spezies und ohnehin eigentlich nicht mehr im klassischen Sinne möglich - Aber auch Rookies haben es schwer

(Motorsport-Total.com) - Pastor Maldonado, Pedro Diniz, Ricardo Rosset, Nikita Masepin - sie alle waren gute Rennfahrer und haben sogar teilweise in der Formel 1 gute Ergebnisse erzielt. Doch im Grunde waren sie vor allem eines: Paydriver. Bezahlfahrer. Fahrer, die es ohne einen vollen Geldbeutel vermutlich nicht in die Formel 1 geschafft hätten.

Titel-Bild zur News: Pastor Maldonado

Pastor Maldonado gilt als klassisches Beispiel eines Paydrivers in der Formel 1 Zoom

Doch das Modell ist in der modernen Formel 1 nicht mehr gewünscht: "Der Bezahlfahrer ist out", sagt AlphaTauri-Teamchef Franz Tost. Dem Modell am nächsten kommen noch Piloten wie Guanyu Zhou, die zwar ein attraktives Sponsorenpaket und vielleicht auch einen attraktiven Markt wie China im Gepäck haben, aber trotzdem sportliche Erfolge vorweisen können.

Gut, das hatte auch Pastor Maldonado, der mit dem Gewinn der GP2-Meisterschaft 2010 wohl das sportlich größte Argument im Juniorensport auf seiner Seite hatte. Doch ob er ohne seine geschätzten 40 Millionen Petrodollar bei Williams gelandet wäre und sich fünf Jahre in der Formel 1 gehalten hätte, ist fraglich. Und war der Geldstrom weg, war auch Maldonado weg.

Doch schon Maldonado war eine ganz andere Kategorie Bezahlfahrer als die Paydriver früherer Jahre, denn der Venezolaner hat wie angesprochen sportliche Argumente auf seiner Seite gehabt. Das war in früheren Jahren anders.

Ein Pedro Diniz, der sich Ende der 90er-Jahre sechs Saisons lang bei Forti, Ligier, Arrows und Sauber in der Formel 1 halten konnte, hätte ohne seine reiche Familie im Hintergrund beispielsweise keine Chance gehabt. Denn mit einer einzigen Punkteplatzierung in zwei Jahren Formel 3000 (damals das Äquivalent zur heutigen Formel 2) hatte er nicht einmal ansatzweise Gründe für einen Aufstieg gezeigt.

Heute hätte der Brasilianer überhaupt keine Chance mehr, in die Formel 1 zu kommen. Das verhindert alleine schon das 2015 eingeführte System für Superlizenzpunkte. Wer keine sportlichen Erfolge mitbringt, der kann auch keine Formel 1 fahren.

Pedro Diniz

Einer der klassischen Paydriver der 90er: Pedro Diniz Zoom

"Das bedeutet, dass ein Fahrer nur in die Formel 1 kommen kann, wenn er in der Formel 3 erfolgreich ist oder die Meisterschaft in der Formel 2 gewinnt, um die Punkte zu bekommen, die er für die Superlizenz braucht", sagt Tost. Ein reines Einkaufen ohne Talent ist somit nicht mehr möglich.

Steiner: Einschleusen ohne gut sein, funktioniert nicht

Doch auch die Zeit von etwas besseren Paydrivern wie Nikita Masepin oder Nicholas Latifi scheint mittlerweile vorbei zu sein. Diese waren immerhin gut genug, um in den Nachwuchsserien die notwendigen Punkte für die Superlizenz zu sammeln, konnten sich aber in der Formel 1 nicht durchsetzen und wurden wieder aussortiert.

"Sich einfach einzuschleusen, ohne gut zu sein, funktioniert nicht", sagt Haas-Teamchef Günther Steiner, der noch 2020 auf die Dienste von Nikita Masepin gesetzt hatte, weil dieser mit Uralkali einen Sponsor mitbrachte, der das Team zu einem Großteil finanzierte.

Nikita Masepin

Musste bei Haas wieder gehen: Nikita Masepin Zoom

Der Russe und dessen Sponsor, der rein zufällig das Unternehmen von Masepins Vater war, wurden nach dem Beginn des Ukraine-Krieges auf die Straße gesetzt, doch auch sportlich hatte Masepin das Team nicht nach vorne gebracht.

Das war auch der Grund, warum man sich am Ende der Saison 2022 von Mick Schumacher trennte, der zwar einen großen Namen und einige Sponsoren mitgebracht hatte, aber sportlich nicht zu überzeugen wusste und dem Team einige teure Reparaturrechnungen bescherte. Stattdessen setzt Steiner 2023 auf Nico Hülkenberg und dessen Erfahrung.

Teams nicht mehr auf Finanzspritzen angewiesen

Der Südtiroler erklärt den Wandel in der Formel 1: "Früher hatten wir Teams, die finanziell nicht stabil waren." Vor allem in der Zeit vor 2000 gab es in der Königsklasse viele Teams, die am Existenzminimum gekämpft haben und ihre Cockpits im Grunde meistbietend verkauft haben. Das konnte auch auf Basis einzelner Rennen sein.

Mittlerweile ist die finanzielle Situation in der Formel 1 aber so gut und die Teams sind so gesund, dass niemand mehr auf einen kurzfristigen Finanzschub angewiesen ist. "Niemand muss sich jetzt auf einen bezahlten Fahrer verlassen, weil die Formel 1 mit zehn Teams, die alle stabil sind, so gut dasteht", sagt Steiner.


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Das heißt aber nicht, dass sich die Teams nicht doch gerne noch das Engagement mit der ein oder anderen Million versüßen lassen: "Die ideale Situation ist, dass man einen Fahrer hat, der die Superlizenzpunkte hat, weil er gut ist, und der einen Sponsor hinter sich hat", sagt Steiner. "Aber wenn du nicht gut genug bist, wirst du hier nicht mehr reinkommen."

Denn im Zweifel überwiegen für die Teams die sportlichen Argumente, nicht die finanziellen. Denn die Teams wollen beides - und die finanziellen Argumente wollen sie sich am besten durch die sportlichen holen.

Performance wertvoller als Geld

Das ist auch eine Konsequenz der aktuellen Formel 1, die hinter Red Bull extrem eng ist, und in der sich das Kräfteverhältnis bei jedem Rennen ändert. Lagen früher zwischen einzelnen Teams mehrere Zehntelsekunden bis sogar Sekunden, kann eine Zehntelsekunde heute im Qualifying häufig fünf oder sechs Positionen ausmachen. Ein schneller Fahrer wird also wichtiger.

Es geht in der Formel 1 bekanntlich um eine Menge Geld. Ein einzelner Platz in der Konstrukteurswertung ist Millionen wert und noch einmal wichtiger als früher, als die hinteren Teams im Grunde nur Krümel abbekommen haben.

"Dieses Konzept, ein paar Millionen zu nehmen, um jemanden ins Auto zu setzen, ist nicht die Art und Weise, wie wir heutzutage auftreten können, denn sonst fällt man zurück", weiß Williams-Teamchef James Vowles.


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"Man möchte Fahrer im Auto haben, die ihr Bestes geben. Es geht nicht mehr darum, ein paar Millionen einzunehmen, um die Bilanz aufzubessern. Die paar Millionen kommen aus der Konstrukteursmeisterschaft, wenn man sich im Vergleich zu den anderen verbessert", so Vowles. "Ich denke, das war eine positive Veränderung für den Sport."

Die neue Denkweise zeigt sich auch im Umgang mit neuen Fahrern. Jedes Team will sich schon einmal die besten Talente sichern.

Die kompletten aktuellen Top 8 der Formel 2 sind alle schon in Juniorteams untergebracht: Theo Pourchaire (1.) bei Sauber, Frederik Vesti (2.) bei Mercedes, Ayumu Iwasa (3.), Enzo Fittipaldi (7.) und Dennis Hauger (8.) bei Red Bull, Jack Doohan (4.) und Victor Martins (5.) bei Alpine und Oliver Bearman (6.) bei Ferrari.

Und weil im unmittelbaren Unterhaus im Grunde alle Talente schon abgegrast sind, wildern viele Teams schon in der Formel 3 oder sogar bis runter in den Kartsport.

Auch für Rookies wird es immer schwieriger

Doch da kommt das nächste Problem auf die Formel 1 zu: Es gibt zwar viele verfügbare Fahrer, aber keine verfügbaren Cockpits. Weil die Leistung des Fahrers ein so großer Faktor geworden ist, trauen sich kaum noch Teams, einen Rookie ins Auto zu setzen. Das beste Beispiel ist Felipe Drugovich, der 2022 Formel-2-Meister wurde, aber wohl auch 2024 keinen Platz im Feld finden wird.

Ähnliches droht auch dem diesjährigen Jahrgang: Der aktuell Führende Theo Pourchaire wird sich selbst bei einem Titelgewinn in der zweiten Reihe einsortieren müssen, weil Sauber bereits den erfahrenen Valtteri Bottas und Guanyu Zhou für 2024 bestätigt hat, die im dritten gemeinsamen Jahr Stabilität bringen sollen.


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"Für Rookies wird es viel schwieriger werden, in die Formel 1 zu kommen, als noch vor ein paar Jahren", sagt Franz Tost, dessen Team in diesem Jahr mit Nyck de Vries auf einen Neuling setzte, diesen aber nach nur zehn Rennen wieder zugunsten des routinierten Daniel Ricciardo entließ.

"Ich denke, dass die Richtung dahin gehen wird, dass man versucht, erfahrene Fahrer im Team zu haben, weil man sonst in der Konstrukteursmeisterschaft ganz hinten steht", sagt der Österreicher. Teams können es sich einfach nicht mehr leisten, jungen Fahrern Zeit zu geben, um in der Formel 1 zu lernen.

Lange Verträge und kaum Cockpits

Die Konsequenz zeigt sich 2024, wo alle bislang für die kommende Saison bestätigten Fahrer auch schon in diesem Jahr bei ihren Teams fahren. Drei Cockpits sind noch unbesetzt, doch auch bei den beiden Plätzen bei AlphaTauri kristallisiert sich heraus, dass es nur zwischen Yuki Tsunoda, Daniel Ricciardo und Liam Lawson geht - die alle auch 2023 schon beim Team waren.


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Das heißt, dass es für neue Fahrer im Grunde nur um ein einziges Cockpit geht - auch eine Konsequenz aus der Tatsache, dass es seit 2017 nur zehn Teams und seitens der Formel 1 kein Bestreben gibt, neue Teams aufzunehmen.

Gleichzeitig werden die Verträge tendenziell immer länger, mit Fahrern wie Fernando Alonso, der auch mit 42 Jahren noch fährt, oder Lance Stroll, der aufgrund der Tatsache, dass seinem Vater das Team gehört, dauerhaft einen der nur verfügbaren 20 Plätze blockiert.

Rookies werden ins kalte Wasser geworfen

Das Problem ist, dass das aktuelle Format Rookies nicht entgegenkommt. 2023 gibt es sechs Sprintwochenenden, wo es nur ein Freies Training gibt, hinzu kommen Experimente wie das neue Reifenformat mit weniger verfügbaren Sätzen. Und ausgiebig testen wie früher können die jungen Fahrer auch nicht mehr.

"Das alles ist ein großer Nachteil für die Rookies", sagt Tost. "Wenn man einen jungen Fahrer holt, muss man ihn bestmöglich vorbereiten - das heißt, mindestens fünf- bis sechstausend Kilometer im Jahr zuvor, mit privaten Tests."


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Hinzu kommt der Kalender, der auch nicht gerade rookiefreundlich gestaltet ist: "Man darf nicht vergessen, dass sie zu Beginn der Saison die Rennstrecken nicht kennen", sagt Tost. "Die meisten von ihnen waren noch nie in Melbourne, in Miami oder in Saudi-Arabien."

"Die gesamte zweite Saisonhälfte ist ein Problem mit Singapur, Japan, Austin, Mexiko, Sao Paulo, Katar. Sie alle kennen diese Rennstrecken nicht, weil sie in der Formel 2 fahren und die meisten dieser Rennen in Europa stattfinden. Und deshalb muss man einen Rookie wirklich bestmöglich vorbereiten, sonst hat man keine Chance", so Tost.

Vowles warnt: Keine neuen Fahrer mehr

James Vowles erkennt das derzeit an seinem eigenen Rookie-Piloten bei Williams, wo Logan Sargeant Gefahr läuft, sein Cockpit nach nur einem Jahr wieder zu verlieren. Dann hätte nur McLarens Oscar Piastri das erste Formel-1-Jahr sportlich überlebt.

Er fordert daher ein Umdenken: "Wir müssen in gewissen Bereichen überlegen, was wir machen können, um den Fahrern in diesen Umständen zu helfen. Ansonsten kommen wir in eine Position, wo wir keine neuen Fahrer mehr in dem Umfang haben, den wir haben wollen", sagt er. "Oder du musst ihnen so lange Zeit im Auto geben, dass du deine Performance dafür opferst."

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