Lage eskaliert: Tritt Helmut Marko zurück - und Max Verstappen gleich mit?

Update: Max Verstappen stellt unmissverständlich klar, dass er in Betracht ziehen wird, Red Bull Racing zu verlassen, sollte Helmut Marko gefeuert werden

(Motorsport-Total.com) - Helmut Marko hat mit einem Interview vor dem Qualifying zum Grand Prix von Saudi-Arabien für Schlagzeilen gesorgt. Denn der Motorsportkonsulent von Red Bull, so die Kernaussage des heiß diskutierten Gesprächs mit dem österreichischen Fernsehen, könnte schon beim nächsten Grand Prix von Australien in zwei Wochen nicht mehr Teil der Red-Bull-Familie sein.

Titel-Bild zur News: Oliver Mintzlaff, Max Verstappen, Helmut Marko

Red-Bull-CEO Oliver Mintzlaff, Max Verstappen und Motorsportkonsulent Helmut Marko Zoom

Spekulationen zufolge wird nun Red-Bull-intern auch gegen Marko ermittelt. Der Vorwurf: "Offenbar hält man ihn für jenen Mann, der diese Chatnachrichten geleakt und an die Presse weitergegeben hat", sagt ORF-Moderator Ernst Hausleitner live auf Sendung.

Auf die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass er schon in Australien nicht mehr dabei ist, antwortet Marko im Interview mit dem ORF wörtlich: "Schwer zu beurteilen. Oder sagen wir mal so: Letztendlich entscheide ich selbst, was ich mache." Auf Nachfrage, ob ein sofortiger Abschied denkbar wäre, entgegnet er: "Die theoretische Möglichkeit besteht immer."

Nach dem Qualifying war diese Rücktrittsandrohung im Paddock in Dschidda klarerweise das bestimmende Thema. Im Interview mit Sky sagt der 80-Jährige: "Ich habe noch ein Gespräch morgen, und dann sehen wir. Aber es muss alles passen, damit ich da weiterarbeiten will."

Auf Nachfrage, mit wem er das Gespräch über seine Zukunft führen werde, sagt Marko: "Mein zuständiger Vorgesetzter ist Oliver Mintzlaff." Der übrigens an diesem Wochenende persönlich nach Saudi-Arabien gekommen ist, ebenso wie Mintzlaffs CEO-Partner Franz Watzlawick, im Konzern zuständig für den Geschäftsbereich Beverage.

Spätestens jetzt scheint klar zu werden, was Jos Verstappen nach Bahrain mit der Aussage meinte, das Team könnte explodieren, sollte Horner nicht zurücktreten.

ORF-Experte Alexander Wurz analysiert: "Das zeigt eindeutig, dass hier alle Register gezogen werden, dass das ein Kampf ist, wo die Ellbogen draußen sind. [...] Es ist ein absoluter Machtkampf, der hier ausbricht, eine ganz, ganz große Nummer, die auch weit über das Fahrerlager hinausgeht."

FIA-PK: So bekennt sich Verstappen zu Marko

Als Marko bei Sky vor der Kamera stand, stellte sich ein paar Meter weiter im Pressekonferenz-Raum der FIA Polesetter Max Verstappen mit einem klaren Bekenntnis hinter ihn: "Für mich ist klar, dass Helmut bleiben muss. Er hat dieses Team gemeinsam mit Dietrich vom ersten Tag an aufgebaut."

"Ich habe großen Respekt für Helmut. Was wir gemeinsam erreicht haben, geht weit zurück, und meine Loyalität ihm gegenüber ist groß. Das habe ich allen im Team immer gesagt. Er ist ein wichtiger Teil für meine Entscheidungen, auch was die Zukunft im Team betrifft. Es ist sehr wichtig, dass er im Team bleibt."

"Wie alle anderen auch, denn es ist eine Teamleistung. Es ist wichtig, dass wir die Schlüsselpersonen zusammenhalten. Denn wenn so eine wichtige Säule wegfällt, ist das für meine Situation nicht gut. [...] Und er war immer loyal dem Team gegenüber, um sicherzustellen, dass alle ihre Jobs behalten konnten."

Was Verstappen damit meint, wird auf den ersten Blick nicht klar, könnte aber eine Anspielung auf eine Situation sein, die weit in der Vergangenheit liegt. Denn im Zuge eines Sponsorendeals zwischen Red Bull Racing und Geox gab es vor einigen Jahren (offiziell unbestätigte) Gerüchte, Horner habe sich persönlich an der Partnerschaft bereichert, und Dietrich Mateschitz wollte den Teamchef damals hochkant rausschmeißen, erzählt man sich im Hauptquartier in Fuschl.

Es soll letztendlich Marko gewesen sein, der Horner den Job gerettet hat - vielleicht ein Hintergrund, der erklärt, was Verstappen meint, wenn er sagt: "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass man diesem Mann Respekt für das zollt, was er geleistet hat. Und das fällt auch auf den Faktor Loyalität und Integrität zurück. Es ist sicher wichtig, dass er Teil des Teams bleibt. Auch für mich."

Verstappen: Wenn Marko fliegt, bin ich weg!

Nach seinem Auftritt in der Pressekonferenz stellte sich Verstappen vor die TV-Kameras - und brachte seine Position noch deutlicher zum Ausdruck. Auf die Frage, ob er jetzt für Marko eintreten werde, entgegnet er: "Absolut." Und auf Nachfrage, ob er Red Bull verlässt, wenn Marko nicht mehr da ist, sagt er: "Dann haben wir vielleicht ein großes Problem im Team. Ja."

Nächste Frage: "Sie werden den Chefs also sagen, entweder wir beide oder gar keiner?" Verstappen stellt klar, er habe "allen" Shareholdern bei Red Bull klargemacht, wie er in dieser Frage steht - und zwar: "Ich habe immer gesagt, dass Helmut immer dabei sein muss für mich. Darüber werden wir reden."


Seine Loyalität gegenüber Christian Horner scheint weniger ausgeprägt zu sein. Zwar betont Verstappen, er habe "immer allen Leuten bei Red Bull gesagt, dass alle die gleichen Rollen behalten sollen. So, wie das war, als Dietrich noch dabei war. Das muss so bleiben."

Doch das könnte man auch so interpretieren, dass Horner unter Mateschitz in erster Linie für das operative Geschäft des Rennteams zuständig war, während Marko und Mateschitz die großen Entscheidungen auf strategischer Ebene getroffen haben - und Verstappen möchte, dass das genau so bleibt.

Auf konkrete Nachfrage, ob er seine Zukunft also nicht nur an einen Verbleib von Marko, sondern auch an einen Verbleib von Horner knüpft, antwortet Verstappen: "Das Wichtigste ist, dass Helmut bleibt."

Marko: Red Bull darf Verstappen nicht gehen lassen

Verstappen trägt mit solchen Aussagen wenig dazu bei, Spekulationen zu entkräften, er könnte Red Bull in Richtung Mercedes verlassen, sollte Marko tatsächlich rausgeschmissen oder zum Rücktritt bewogen werden.

Aber sollte es Red Bull darauf ankommen lassen, den Superstar zu verlieren, wäre das laut Marko ein schwerer Fehler: "Max ist sicher das stärke Asset, das das Team hat. Es gibt keinen schnelleren Fahrer momentan, und wenn man den verlieren würde, wäre das ein unglaublicher Verlust." Und weiter: "Ich glaube, das ist wohl ganz logisch und klar, dass Max der wichtigste Teil im Team ist."

Wolff: "Wir haben einen Sitz frei"

Mercedes-Teamchef Toto Wolff signalisiert unverändert, dass er Verstappen grundsätzlich gern bei sich im Team hätte: "Wir haben einen Sitz frei, im Jahr 2025 und 2026", sagt er im Interview mit dem ORF. Aber Wolff glaubt: "Max wird dort fahren, wo es das schnellste Auto gibt, und das ist heute der Red Bull."

Dass er sich zuletzt auch mit Jos Verstappen unterhalten hat, streitet Wolff nicht ab: "Seit zehn Jahren, seit Max in der Formel 1 ist, sprechen wir miteinander. Ich habe ein gutes Verhältnis mit Jos und auch mit Max. Das heißt aber nicht, dass man auf der professionellen Seite jetzt kurzfristig einen Wechsel sehen würde."

Gerüchte aus Italien heizen Lage zusätzlich auf

Indes tauchen in Italien fast zeitgleich Gerüchte auf, dass auch Stardesigner Adrian Newey und Technikchef Pierre Wache damit drohen, Red Bull - zum Beispiel in Richtung Ferrari - zu verlassen, sollte die Horner-Affäre und alles, was damit zusammenhängt, nicht sauber und transparent aufgearbeitet werden.

Zuletzt hatte neben dem zukünftigen Motorenpartner Ford auch der derzeitige Motorenpartner Honda Aufklärung von Red Bull eingefordert. Laut Marko wolle Honda "eine klare Aussage, was wirklich passiert ist".

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Max Verstappen Fanartikel

Dass jene Mitarbeiterin, die die Horner-Affäre mit ihren Vorwürfen ursprünglich ins Rollen gebracht hat, jetzt offenbar die Justiz einschalten will, um die Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Vorgesetzten unabhängig prüfen zu lassen, begrüßt Marko, denn die Angelegenheit mache inzwischen "zu viel Wirbel".

Konkret auf unbestätigte Berichte, dass die Mitarbeiterin jetzt die Behörden eingeschaltet habe, angesprochen, antwortet Marko: "Ich kann nicht beurteilen, wie das im englischen Recht ist. Aber alles, was zu einem schnellen Ergebnis führt, ist mehr als wünschenswert."

Wolff macht Marko Angebot: Werde unser neuer Niki Lauda!

Für den Fall, dass die Sache damit enden wird, dass Marko Red Bull verlässt, macht ihm Toto Wolff augenzwinkernd ein Angebot: Marko könnte bei Mercedes den alten Platz von Niki Lauda einnehmen! "Uns fehlt eh unser altes Maskottchen. Dann nehmen wir den Helmut einfach. Der passt von Alter. Rote Kappe hat er keine, aber dann kommt er zu uns", grinst Wolff.

Im Interview mit dem ORF ergänzt er: "Helmut ist kein Kind von Traurigkeit und war - oder ist - unser liebster Feind. Aber er ist ein echter Racer. Wenn Helmut dem Team abhandenkommt, ist das für Red Bull und für das Team sicher ein Verlust."