Eltern über Thomas Preinings Kindheit: "Er fuhr, bis es ihn rausgefroren hat"

Die Eltern des neuen DTM-Champions geben im Interview Einblicke: Wie ehrgeizig Thomas Preining schon als Kind war und wieso er gezielt bei Schnee im Kart übte

(Motorsport-Total.com) - In der Stunde seines größten Triumphes denkt der frischgebackene DTM-Champion Thomas Preining an seine Eltern: "Ich bedanke mich bei ihnen, weil sie seit dem ersten Tag mit mir durchs Feuer gegangen sind. Ohne sie würde ich nicht das tun, was ich liebe", so der 25-jährige Österreicher auf Instagram.

Titel-Bild zur News: Thomas Preining

Bei allen Bedingungen im Kart: Thomas Preining hatte schon früh den nötigen Biss Zoom

Aber wie haben Andreas und Petra Preining, die beim DTM-Finale in Hockenheim mit dabei waren, die Kindheit des Porsche-Senkrechtstarters erlebt? Im Interview mit Motorsport-Total.com erzählen sie, wie das Rennsportgen bei ihrem Sohn auf Mallorca geweckt wurde, wie ehrgeizig dieser schon in jungen Jahren war und welche Parallelen es zur Kart-Ära von Michael Schumacher gibt.

Aber sie geben auch Einblicke, wie frühreif der spätere Champion als Kleinkind im Spanien-Urlaub war, wie er nach drei Tagen Skikurs aus seiner Sicht bereits ausgelernt hatte und wie seine Motorsport-Ambitionen in der Schule aufgenommen wurden.

Frage: "Andreas, Sie waren selbst erfolgreicher Motorrad-Fahrer, sind in der 250er-Klasse auf 97 WM-Einsätze gekommen. Warum hat Thomas nicht auf zwei Rädern Karriere gemacht?"
Andreas Preining: "Als er fünf Jahre alt war, habe ich ihm eine Mini-Motocross-Maschine gekauft. Die stand zwei Jahre lang in der Garage und hat ihn nicht interessiert. Dann sind wir durch Zufall im Mallorca-Urlaub in Can Picafort bei einer Kartbahn vorbeigekommen - dort ist der Stein ins Rollen gekommen. Das hat ihm so getaugt, er ist gar nicht mehr ausgestiegen."

Frage: "War er überhaupt groß genug?"
Andreas: "Wir haben ihm hinten beim Sitz was reingetan, weil er die Pedale nicht erreicht hat - dann ist es losgegangen. Wir wussten aber selbst nicht, was für eine Lawine da auf uns zurollen würde. An Arbeit, Zeit und Geld. Wir haben es aber immer gern getan - und er war mit Herz und Seele dabei."

Frage: "Haben Sie sein Talent sofort erkannt?"
Andreas: "Man sieht, ob jemand ein Gefühl hat oder nicht. Und ich habe mir schon gedacht, dass da etwas schlummert. Darum haben wir das forciert. Dass er dann so eine Karriere machen wird, war aber nicht absehbar."

"Er war eigentlich problemlos - solange wir Kartfahren waren"

Frage: "Wie präsent war der Motorsport zuhause?"
Andreas: "Thomas hat meine Motorrad-Karriere nicht selbst miterlebt, denn ich hatte schon aufgehört, als er auf die Welt kam. Er lag aber neben mir auf der Couch, als er ein Jahr alt war - und hat Motorrad-WM und Formel 1 geschaut. Er kannte von klein auf jeden Fahrer, jedes Motorrad und jedes Auto. Das hatte er im Blut."

Frage: "Thomas wuchs als Einzelkind in Linz auf. Wie war er?"
Andreas: "Eigentlich problemlos. Solange wir Kartfahren waren. Daheim war er saulästig (lacht)."
Petra Preining: "Er war ein liebes Kind. Und immer aktiv, aktiv, aktiv. Von klein auf. Hinten oben am Fahrrad sitzen ging nicht. Mit zwei Jahren rannte er neben dem Rad her. Er hatte diesen Bewegungsdrang."
Andreas: "Wir hatten Erlebnisse, da lachen wir heute noch. Wir waren in Spanien im Urlaub, da war er noch so ein Stoppel, drei, vier Jahre. Damals waren Freunde mit, die hatten einen Buben im selben Alter. Die beiden haben in der Früh gesagt: 'Wir gehen jetzt joggen'. Nackt, Stirnband oben, sind sie eine Runde gerannt. Es dauerte keine zwei Minuten, da sind sie im Vollsprint die Strecke zurückgekommen. Und hintennach ein kleiner Hund."


Fotostrecke: Thomas Preinings Karriere: Mit "Rockys" Hilfe zum DTM-Champion

"Wir haben viel Freude gehabt - und haben auch heute noch ein super Vertrauensverhältnis. Er sagt uns alles - und umgekehrt natürlich auch."

Frage: "War er immer schon kompetitiv?"
Andreas: "Für ihn war alles Wettbewerb - immer."
Petra: "Kindergarten-Olympiade, dann Laufwettbewerbe - das hat ihm am Anfang auch getaugt. Kindermarathon. Er wollte immer ganz oben landen - und das ist er meistens auch. Wir haben ihn einmal in einen Skikurs gesteckt - nach drei Tagen fuhr er schon Skirennen. Er hat gewonnen - und geglaubt, er braucht nicht mehr hinzugehen, weil er kann das ja jetzt."
Andreas: "Da war der Skikurs schon erledigt. Aber du musst ein Wettkampf-Typ sein, wenn du im Sport was erreichen willst."

Frage: "Was hat ihn noch interessiert?"
Andreas: "Er hat jahrelang bei einem Verein Fußball gespielt. Dann kam das Kartfahren - und er hat damit aufgehört. Beides wäre nicht gegangen."
Petra: "Dann war er auf den Motorsport fixiert."
Andreas: "Es gab nichts anderes mehr."

Wie bei Michael Schumacher: Reifen aus der Mülltonne

Frage: "Andreas, Sie haben schon in der Kindheit intensiv mit ihm gearbeitet."
Andreas: "Ich war dahinter, weil ich ja Rennerfahrung habe. Zwar nicht auf vier Rädern, aber Rennen ist Rennen. Ich habe versucht, ihm das Handwerkszeug mitzugeben und ihm das von klein auf beizubringen. Wir hatten nicht viel Geld, haben alles selber gemacht. Ich war der Mechaniker und habe alles repariert, geschraubt und eingestellt. Ich war der Drivercoach - also all-in-one (lacht)."

"Eine Kartbahn ist übersichtlich. Du überblickst die ganze Strecke und siehst jeden Fehler. Was bei ihm auffällig war: Wenn ich ihm irgendwas gesagt habe, war das beim nächsten Mal rausfahren erledigt. Er hat schon immer alles sofort umgesetzt."

Frage: "Es gab aber immer Gegner, die finanziell bessere Möglichkeiten hatten."
Andreas: "Ja, wir hatten wenig Geld - und wenig Reifen. Also haben wir uns die Reifen derer, die schnell waren, aus der Mülltonne rausgesucht. Die waren angeschrieben, also wussten wir, wem sie gehört haben. Ich habe gesagt: 'Schau her, die Reifen sind von dem und dem.' Dann hat er versucht, den zu überholen. Das war sein Ansporn - und das hat er durchgezogen."

Frage: "Wie habt ihr trainiert?"
Andreas: "Wir sind auch im Winter gefahren, waren im Dezember, Jänner in Rothtalmünster, weil dort lag Schnee. Er fuhr, bis es ihn rausgefroren hat aus dem Kart. So hat er das Regenfahren gelernt - und das Gefühl für ein Fahrzeug. Wir haben Dinge gemacht, die andere nicht machten. Für uns gab es das ganze Jahr nur Motorsport. Keinen Urlaub, die Schule war nebensächlich - auch von der Elternseite. Das muss man auch erst riskieren."

Thomas Preining

Stolze Eltern: Petra und Andreas Preining mit Sohn Thomas in Hockenheim Zoom

Frage: "Was habt ihr in der Schule von ihm gefordert?"
Andreas: "Wir haben gesagt: 'Schau, dass du es irgendwie schaffst. Wenn du mal durchfliegst, ist es auch wurscht.' Aber er ist nie durchgefallen, hat seine Matura (österreichisch für Abitur; Anm. d. Red.) gemacht. Noten waren egal, weil wer schaut sich das Maturazeugnis an?"

Frage: "Wie lief die Schulzeit?"
Andreas: "Er hatte viele Gegner, aber es gab auch super Lehrer, die das unterstützt haben. Weil sie gesehen haben, was er im Vergleich zu anderen leistet, denn er war die Hälfte der Zeit nicht da. Und er hat die Prüfungen trotzdem geschafft."

Frage: "Hat Thomas an der Kartbahn gestrebert?"
Andreas: "Das war der Wunsch der Mama (lacht). Sie hat gesagt: 'Beim Hinfahren lerne ich mit dir, weil du hast am Montag Schularbeit.' 'Jaja', hat er gesagt, aber das ist eigentlich nie passiert. Als er Formel 4 fuhr, war am Sonntag in Oschersleben das Rennen - und am Montag hatte er schriftliche Mathe-Matura. Wir kamen in der Nacht heim, um acht war er in der Schule. Er hat es geschafft, hatte glaub ich einen Vierer (in Österreich Genügend; Anm. d. Red.). Das war wie ein Sieg."

"Schulfreunde dachten, wir fahren irgendwo Autodrom"

Frage: "Haben sich die Schulfreunde für seine Rennen interessiert?"
Andreas: "Eher nicht. Die haben nicht verstanden, wie professionell wir das mit einem Kind betreiben, haben geglaubt, wir fahren irgendwo Autodrom. Und wir haben das auch nicht an die große Glocke gehängt. Als er dann im Fernsehen war, Kart-Europameister wurde, sind alle gekommen: 'Wow!' Wenn du Erfolg hast, hast du viele Freunde. Wenn nicht, schert sich keiner."

"Aber jetzt melden sich Leute, die wir seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. Zum Beispiel die Volksschullehrerin von Thomas aus der ersten Klasse. Sie ist 75 Jahre alt und hat meine Frau angerufen: 'Wahnsinn, ich schaue jetzt immer DTM'. Und sie hat eigentlich null am Hut mit Motorsport. Da schmunzelt man, das ist cool."
Petra: "Da brauchst du ein bisschen, bis du überhaupt sortierst, wer das ist. Das war sehr nett."

Frage: "Wie seid ihr mit den enormen Kosten umgegangen?"
Andreas: "Wir haben versucht, möglichst viel selbst beizutragen. Das ging im Kart, aber im Autosport nicht mehr, weil da läuft alles über Teams. Im ersten Jahr in der Formel 4 gab es einen, der hatte eine große Klappe: 'Das machen wir.' Thomas fuhr für Mücke - und wir hatten ihn als großen Sponsor auf dem Auto. Aber dann kam kein Geld - und nach dem zweiten Rennen haben sie uns rausgehaut."

"Der Sponsor hat sich abgeseilt, Thomas fuhr das ganze Jahr lang nix mehr. Das war das härteste Jahr überhaupt. Wir sind trotzdem Kartfahren gegangen."

Frage: "Die Motorsport-Familie Lechner hat dann die Karriere gerettet, über den Porsche-Cup hat sich Thomas in den Porsche-Kader gearbeitet. Seit Sonntag ist er erster österreichischer DTM-Champion der Geschichte. Wie stolz sind Sie?"
Andreas: "Wir sind absolut stolz, dass er das geschafft hat. Und dass alles so aufgegangen ist, wie er das selbst geplant hat. Er war sehr erfolgreich in allen Klassen, in denen er gefahren ist - Kart, Formel 4, Porsche-Cup, die Langstreckenrennen im RSR, aber auch bei seinem Class-1-Test bei HWA und beim Formel-E-Test war er schnell."

"Und es war beeindruckend, wie er beim DTM-Finale mit dem Druck umgegangen ist. Es ging um die Meisterschaft, die ganzen Porsche-Leute waren vor Ort. Das muss man erst mal so dominant umsetzen, aber da ist er extrem cool. Das macht sich bezahlt."